Patrol long Ples
Am Sonntag den 02.02.2013 war ich mit meiner Mentorin Verena auf
„Patrol“, also auf Kirchenbesuch in der Region. Auf
Patrol
gehen ist noch von den ersten Missionaren in den 1930er Jahren als
die Highlands entdeckt wurden. Da sind die Missionare herumgewandert,
durch das Buschland und haben die ersten Gemeinden und Schulen
besucht, dann wurde getauft und gepredigt und dann ging es schon
wieder weiter. Die Neuguinis, die sie begleiteten nennt man
Wokman
oder
Wokmeris, das heißt (Mit-) Arbeiter, Angestellter auf
Tok Pidgen.
Wir sind mit dem Landcruiser in nordwestlicher Richtiung aus
Goroka heraus gefahren und bis fast an die Grenze von
legendenumwobenen
Simbu (sprich: Tschimbu). Im
Simbu,
so sagen die Leute aus Goroka gibt es viel mehr Magie und
Hexenverfolgung als in Goroka (woanders sagen die Leute ist es immer
schlimmer, aber am meisten ist es immer in den höhergelegenden
Highlands schlimmer) und so manche Lagerfeuergeschichte wird erzählt
indem berühmte Zauberer vom
Simbu Leute verhexen, von
fliegenden Magiern und schwarz magischen Ritualen. Aber mein Direktor
Rev. Jack Urame erzählt auch, das es dort sehr schöne Pfade durch
die Berglandschaft gibt und das Wasser überall trinkbar ist. Jedes
Dorf hat dort seinen eigenen Wasserfall zum Duschen. Ein
Trekking-Schlaraffenland!
Die Fahrt dauert gute 45 Minuten. Wir fahren den Highway in
Richtung Hagen und biegen dann von der (in Deutschland wohl schlechte
Landstraße genanntem Straße) auf eine Schlammpiste (so wie hier
gibt es die nicht in Deutschland- Unbeschreiblich) ab und Kuppeln
erst mal den Allradantrieb mit dem Vorschaltgetriebe ein. Leider
wissen wir auch nicht so genau wo dieses Dorf liegt, dass wir heute
besuchen wollen. Denn obwohl es aus der Luft nicht so aussieht ist
fast jeder Fleck rund um Goroka besiedelt und unter einem Blätterdach
liegen ungezählte Hütten und Wege.
Wir halten bei ein paar Frauen an, um nach dem Weg zu fragen. Sie
erzählen, dass sie gute Lutheraner sind und uns gerne den Weg zeigen
wenn wir sie bis ins Dorf mitnehmen. Mit Verenas einladender Art
werden sie hereingebeten und wir haben fünf schnatternde Frauen auf
dem Rücksitz. Sie lohzen uns durch den Busch auf schmalen Wegen und
über waghalsig, alte Brücken. Die können doch gar nicht halten,
oder?!
Sie halten. Und kurz vor der Kirch des Dorfes steigen die Frauen
aus und gehen ihrer eigenen Wege,nicht zur Kirche. „Von wegen guten
Lutheranern!“ Sagt Verena, „Hier gab es mal eine tolle große
Gemeinde, aber der Pastor ist alt und macht nichts mehr, außer die
Leute zu schimpfen, dass sie nicht zum Gottesdienst kommen. Da kommt
dann auch keiner mehr!“ Erzählt sie. Und auch, dass es hier seit
etwas zehn Jahren auch die Babtisten, die Katholiken und andere
Christen gibt. Früher alles Lutheraner.
Bei der Kirche werden wir ehr misstrauisch als freudig begrüßt.
Aller: „Was wollen die Weißen hier und warum besucht uns eine
Pastorin?“ Denn in Neuguinea gibt es keine Ordinierung für Frauen,
Verena hat sich in den Jahren ihrer Arbeit hier das Privileg
erarbeitet zu predigen. Den ganzen Gottesdienst kann sie nicht
halten, aber wenigstens darf sie nicht nur vor Frauen predigen. In
diesen und anderen Dingen ist Neuguinea noch sehr rückständig.
Das Klima bessert sich nachdem wir einfach auf die Neuguinis
zugehen und die Leute umarmen, das tut man in den Highlands mit
Jedem. Die Neuguinis tauen sofort auf und das Pidgen, dass wir
sprechen, hilft auch weiter. Verena erklärt, dass sie hier heute auf
Kirchenbesuch ist und wir gerne mit Gottesdienst feiern wollen. Ich
erkläre, dass ich nicht Verenas Kind bin, sondern ein Volunteer aus
Deutschland. Immer wenn ich mit Meinen Mentoren in ein Dorf komme,
denken die Leute ich sei ihr Kind, wer sollte ich auch sonst sein?
Die Männer beginnen sich für mich zu interessieren und drei Frauen
nennen mich schon „Pikinini bilong mi“ (Mein Kind). Das Eis ist
gebrochen. Ich schwärme von den Highlands und erkundige mich, ob ich
mich hier auch nach dem Gottesdienst umsehen kann. „Natürlich, du
bist doch einer von uns!“ Kommt die Antwort.
Im Gottesdienst predigt Verena unterstützt mit meinem wenigem
schauspielerischen Talent über Gefangene im Gefängnis, die eines
Tages von einem Fremdem freigelassen werden und sich freuen. Im
Übertragenem Sinn, dass Jesus aus dem Gefängnis der Angst heraus
hilft. Angst vor der Mutter, weil man essen geklaut hat, Angst vor
schwarzer Magie und
Sanguma, Angst vor dem Ehemann, der einen
schlägt.
Harte Themen!
In diesem Dorf gibt es grade wieder viel Gerede um einen
kürzlichen Tod. Und man vermutet
Sanguma (schwarze Magie)
dahinter. Bei solchen Vermutungen gibt es wie bei uns im Mittelalter
dann richtige, meist, Hexenverfolgungen (auch Zauberer-), Folterungen
und Feuerhinrichtungen. Grausam, aber leider auch fast alltäglich in
PNG.
Den Zahn zieht Verena ihnen jedenfalls gründlich und nach der
Kirche hat die Gemeinde viel Gesprächsstoff und möchte mehr davon
hören. Verena bekommt drei Kohlköpfe und viele Bananen, damit sie
sich noch etwas dazusetzt und erzählt. Damit hat Verena gerechnet
und fährt eine moderierte Diskussion über Magie gegen die falschen
Anschuldigungen auf, mit der Bibel als Bezug. „Das klappt
manchmal.“ Sagt sie, „Aber manchmal machen sie, nachdem wir weg
sind, einfach da weiter, wo sie aufgehört haben.“ Ich bin
zuversichtlich. Im Gottesdienst habe ich ein paar echte
Highländer-Kerle und bärtige Highlander-Frauen gesehen, die still
vor sich hin geweint haben, weil sie Verenas Predigt so rührend
fanden. Und als der Pastor die Ankündigungen den sogenannten „
Tok
Save“ gibt, bekommen wir beide je ein schönes
Bilum
(Umhängetasche), als Zeichen ihrer Wertschätzung geschenkt. Ich
werde gleich noch mal adoptiert. Mittlerweile habe ich hier
mindestens so viel Familie wie in Deutschland.
Solche Kontakte sind wichtig, wenn man wiederkommen will, oder mal
eine Trekkingtour durch den Busch machen möchte, oder auch wenn
Straßenräuber einen im Auto anhalten und Wegegeld wollen. Wenn sich
dann herausstellt, dass man in der
Line von ihnen ist und dann
auch noch als Freiwilliger, oder sogar Missionar sind, ist es den
meisten Räubern so peinlich, dass man ziehen darf. Wenn man die
jedoch nicht kennt, dann kann es schon brenzlig werden. Deshalb bin
ich froh, dass ich in diesem wildem, magischem Land so viel Familie
habe.
Ich mache mich nach der Kirche mit einem Jugendlichen auf den Weg
durch das Dorf. Wir unterhalten uns über die schönen Highlands und
das schöne Dorf. Immer Bergauf begegnen wir dauert Leuten. Alle
werden gegrüßt. Ist ja schließlich meine neue Familie. Und allen
Männern und vielen Frauen wird die Hand geschüttelt. Wir Weißen
sind das neue Gesprächsthema und mein Begleiter ist sichtlich stolz,
dass er mich vorstellen darf. Auf dem Aeg zur katholischen Schule auf
dem Berg kommen wir an seiner ganzen
Line vorbei. Ich frage
ihn langsam etwas über den Toten und
Sanguma aus, ohne das
Wort zu erwähnen, denn er wird wieder verschlossener. Man vertraut
mir nicht und ich stoße auf eine Mauer von Misstrauen und
Nichtwollens. Das Thema scheint noch zu frisch zu sein. Besser wieder
über alltägliche Plaudern.
Was ich hier das erste mal fotografisch festhalten konnte ist, das
hier die Männer und Frauen unter sich Händchen halten, aber niemals
mit Andersgeschlechtlichen, höchstens mit den Eltern.
Und Ich finde auch Beweise für den verschwenderischen Gebrauch
von Chemikalien beim Kaffefarmen.
Gegen Nachmittag bin ich wieder bei der Kirche, wo Verena mit den
Hedman und
Hedmeris noch Jesus und das Gefängnis
bespricht. Es scheint wirklich zu wirken, die Dorfleute sind fröhlich
fast enthusiastisch und wollen gleich alle
Sangumas bebeten,
um so den Zauber aus ihrem Dorf zu vertreiben. „Besser als
foltern!“ Denk´ ich mir trocken.
Die Rückfahrt ist etwas leichter. Wir kennen den Weg zum Highway
zurück und den meisten größeren Matschpools können wir
ausweichen.
Lehrreicher Tag!
PS:
*Werbeblog* Wer mehr über Sanguma in PNG lesen möchte sollte sich das Buch "Sanguma in Paradise" von Franco Zocca (Melanesian Institute (www.mi.org.pg)) bestellen. *Werbeblog beendet*