Donnerstag, 18. April 2013

Paps Lebensgeschichte

Die Geschichte meines Mitbewohners

Seit ungefähr einem Monat wohnt immer für zwei Wochen mal und mal nicht ein weiterer Neuguini in unserem Haus. Er heißt eigentlich Ben, wird von uns aber Pasp genannt, weil er viel älter ist und schon erwachsene Kinder hat.
Immer wenn ich mit Ben beim Abendessen rede, läd´ er mich zu sich ins Makam-Valley ein. Dort war ich noch nie und so viele Küstendörfer werde ich nicht mehr sehen. Also gute Gelegenheit!
Er erzählt dann von tollen Sachen. Vom Kochen in Steinguttöpfen, einzigartig für PNG, von dem vielem Chilli im Essen, einzigartig auch in Makam, und von der Natur!
Von straußengroßen Vögeln, deren Eier man auf Bushtripps ausgraben kann und Omelett für vier, normale Personen aus einem Ei machen kann, Neuguinis essen wahrscheinlich eines allein. :) Oder er erzählt von der Jagt auf die kleinen süßen Baumkängurus. Denn die Kirche seines Dorfes hat mal von einem Mann Patronen und ein Gewehr geschenkt bekommen, damit sie immer gut „Abus“(Pdg.: = alle Tiere außer Vögel und Schweine) haben können.
Bei so einer Geschichte hat er mir seine Karriere zum Verkäufer bei Roy erzählt. Roy ist der Aussi, der auf dem MI-Compound wohnt und seine Solarlösungen in Goroka verkauft, zum Teil deutsche Wertarbeit.
Aber Paps hat nicht immer bei Roy gearbeitet. Alles begann in seinem Dorf im Makam.
Ben war ein richtiger „Manki bilong Ples“, ein Dorfjunge, der seinen Garten hatte und jeden Tag mit seinem Bushknive darin herumwühlte. Er hat die Schule nach der achten Klasse verlassen, um Subsistenzwirtschaft zu betreiben und um zu heiraten. Dann hatte er Frau und Kinder und war an seinen Garten gebunden. Seine Freunde sind noch weiter zur Schule gegangen und haben immer gefragt, ob er nicht auch irgendwas kaufmännisches lernen möchte, da es in seiner Nähe so eine Art berufliche Schule gab und der Schulleiter ihn kannte. Aber Ben hat geglaubt sein Leben wäre nun fast um mit Kindern und Frau und er hatte ja auch seinen Garten...
Doch mit der Zeit sah er auch immer neidischer zu seinen Freunden, da sie Handys hatten und zur Schule gingen, um später Geld zu verdienen. Und eines Abens traf er den Schulleiter bei seinem Garten, der ihn fragte, ob er nicht zur Schule gehen könnte, er müsste das Schulgeld auch erst später bezahlen, aber Ben war mit seinem Leben zu festgefahren und hat sich damit herausgeredet, das er kein Geld hatte. Der Schulleiter ließ nicht locker und hat ihn dann auf blauen Dunst eingeschrieben. Damit Ben es sich überlegen konnte.
Zu Hause hat Ben mit seiner Familie gesprochen. Seine Frau hatte wohl nur gewartet bis er das Thema anschneidet und ihn gedrängt das zu tun, aber Ben war noch zu stolz und zu stur, er hatte ja noch den Garten. Sein fünfjähriger Sohn bekam das mit und hat dann mit der Hilfe der Mutter versucht das Schulgeld für Ben zu besorgen. Die Mutter hat den Garten erweitert und Erdnüsse gepflanzt um diese dann auf dem Markt zu verkaufen und der kleine Ben Junior ist mit einem Beutel voll Betelnüssen (Pdg.:Buai) durch Dorf gezogen und hat sie verkauft, damit sein Vater zur Schule gehen kann. Zusammen haben Mutter und Sohn das Geld zusammen bekommen und Ben dann zur Schule geschickt. Man könnte jetzt denken, dass Ben sich sehr angestrengt hat, um die beiden nicht zu beschämen, aber er war wohl ein fauler Schüler. Das hat er mir auch so erzählt. Später habe er dann durch viel abschreiben und schummeln den Kaufmännischen Abschluss gemacht und hat eine Position in Lae in einem kleinem Supermarkt als Regaleinräumer gefunden. Diese Arbeit hat er gut gemacht, denn bald wurde er zum Kassierer befördert und konnte sich ein kleines Haus in Lae leisten und hat seine Familie nachgeholt. Dann ist er mit ihnen erst mal einkaufen gefahren und hat säckeweise Reis und Dosenfleisch und Thunfisch eingekauft, wie das Neuguinis in der Stadt so machen. Denn „Protein“ wir immer gegessen, sonst ist das Essen nicht genießbar, egal wie billig der Thunfisch oder das Fleisch ist. Vielleicht auch, weil die Dorfneuguinis immer für Protein schuften müssen und nun in der Stadt alles bereit steht.
Seiner Frau gefiel es in der Stadt trotz des Komforts nicht gut und sie ist mit den Kindern wieder ins Dorfhaus gezogen. Lae ist nachts nicht sicher.
Ben sollte dann weiter in ein Büro versetzt werden, weil er so gute Umsätze machte, aber da hat er gekündigt und ist zum nächsten Supermarkt gezogen. Da hat es ihn auch nicht lange gehalten, wegen des Arbeitsklimas. Er arbeitete nun bei der Konkurenz.
Er ist dann wieder ins Dorf gezogen und hat eine Weile nichts gemacht, bis das Geld weg war. Dann hat er wieder im Garten gearbeitet und wurde zur Jugedarbeit in der Kirche abgestellt.
Da konnte er sich schon ganz gut verwirklichen. Er hat Gitarren für die Kirche gekauft und den Jungs vom Dorf Spielen beigebracht. Dann wurde er fast einstimmig zum Finanzchef der Dorfkirche und Später Bezirkskirche gewählt. Dort hat er die Kirchen renoviert so gut es ging und ein Pastorenbüro eingerichtet und einen Kirchenshop in seinem Dorf aufgezogen.
Makam liegt geografisch Zwischen Lae und Goroka direkt am Highway. Die nächste große Stadt ist Madang an der Küste Und dazwischen wieder der Highway und das Ramutahl. Roy unser Solarfachmann hat eine Zeit lang für den Ramu-Sugar-Konzern Solaranlagen installiert. Da sind sich Roy und Ben über den Weg gelaufen und haben beschlossen Ben sollte wieder ins Kaufmannsgeschäft einsteigen. Seit dem ist Ben Springer für den alten Roy, der nicht überall sein kann und Ben pendelt zwischen seinem Dorf; Goroka und weiß Gott wo.
Die Geschichte hat einen Abend gut gefüllt, dann habe ich mal nach seiner Familie gefragt.
Seine Frau arbeitet nun allein im Garten, den sie zuvor zu Zweit bestellt haben und seine Kinder gehen nicht zur Schule.
Da habe ich ihn ausgezählt, das es so nicht geht. Seine Frau zusammen mit seinem Sohn haben ihm das Leben als Kaufmann ermöglicht und den relativen Wohlstand verursacht, aber er kümmert sich nur wenn er da ist und schickt nicht mal Geld nach Hause. Paps hat dann gesagt das Schulgeld zu teuer ist. Dabei ist das nur ein Projektgeld um das Material zu zahlen und 20 Kina im Monat tun nicht weh. Das Schulgeld wurde Anfang letztem Jahres vom Minister abgeschafft. Ich habe ihm geraten er solle einen Bankaccout für seine Frau einrichten und Haushaltsgeld überweisen statt es zu verrauchen, Bauai zu kaufen und zu Saufen. Das sei nicht christlich und schon gar kein gutes Vorbild für seine geliebte Dorfjugend. Martin Luther hätte das nicht gemacht, der stände ewig in der Schuld seiner Kinder. Dass der gute Luther sich gegen den Wunsch seines Vaters entschieden hat und deswegen kein Geld zum Studieren mehr bekam und Mönch wurde habe ich ihm nicht gesagt...
Paps fiel es wie Schuppen von den Augen und er war ganz traurig und hat versprochen, dass sich etwas ändert. Mal sehen was kommt.

Man darf sich hier in Neuguinea keine so große Visionen von einem Wort machen, da es nichts gilt, ähnlich wie ein Vertrag. Aber den Versuch ist es wert. Vielleicht gehen seine Kinder nächstes Jahr zur Schule. Und Luther kann weiter im Grab schlafen.

Soweit eine ware Geschichten aus Neuguinea.


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